Die totale Sonnenfinsternis vom 11. August 1999
August 1999
Neben den SKF Seminaren gehört die Sonnenfinsternis sicher zu meinen frühen spirituellen Erlebnissen. Eigentlich sollte ich am 10. August für Siemens KWU zu einer Abnahmemessung nach Salta in Argentinien fliegen. Aber wie so oft passieren die Dinge nicht so eilig wie sie gewünscht sind. Ich hatte mit Herrn Zestic einen guten Projektverantwortlichen und konnte den Flug auf die Nacht vom 11. zum 12. August verschieben.
Es war ein warmer Sommertag. Ich nahm den Lufthansa Frühflug von Düsseldorf bis Frankfurt, von wo es in der Nacht weitergehen sollte. Dann ging es per ICE Zug bis Karlsruhe, und schließlich nahm ich ab da noch einen Bummelzug etwas weiter nach Süden - für die letzten Kilometer ins Zentrum des Kernschattens. Alles klappte bestens. Der Zug war zwar übervoll, aber wir kamen im Gegensatz zu den Autotouristen voran. Auf dem Hauptbahnhof gab mir ein nettes Mädchen noch eine dieser speziellen Schutzfolien, die einen gesunden Blick auf Vater Sonne überhaupt erst zuläßt. Ich hatte keine mehr erwerben können.
Ich kam rechtzeitig in dem kleinen Dorf an, dessen Name mir entfallen ist und machte einen Spaziergang, um ein ruhiges Plätzchen zu finden. Eine Entertainment Show a lá Stuttgart oder München mit Musik und Kameras überall hätte mir nicht zugesagt.
Ich fand ein Feld abseits einer kleinen Landstraße. Es war bewölkt. Ab und zu nur konnte ich an einem hellen Schimmer erkennen, in welcher Richtung ich die Sonne suchen mußte. Sollte das Schauspiel hinter einem Vorhang versteckt stattfinden? Der Mond tritt in die Sonne. Es heißt, die plötzliche Abkühlung löst Luftmassenbewegungen aus. Und richtig. Es kühlt ab. Die Vögel verstummen. Die Wolken werden wie von einem Magnet weggezogen. Es bleibt ein dünner Schleier, der eine einzigartige Möglichkeit eröffnet. Ich kann das Ereignis mit Sonnenbrille bestaunen. Der Mond steht voll vor der Sonne. Ich habe 4 Minuten. Es wird nicht dunkel, nur dämmerig. Vielleicht liegt das an der Diffusion durch den Restwolkenschleier. Das Licht ist blau - grau - mystisch. Ich schreibe Vater Sonne, weil ich eine echte Majestät gewahr werde. So mächtig und in diesem Moment so ruhig und friedlich und kühl. Was für eine Kraft. Was für eine Offenbarung. Da stehe ich hier unten allein im Feld - ich Zwerg - und habe das Privileg, diese Kraft und Größe mir gegenüber gewahr zu werden. Ich bin nichts. Die Sonne ist alles und nichts. Wir sind alle ohne Sonne - nichts. Sonne gewährt uns einen Blick auf ihre Seele. Dies, indem sie sich vom Mond verdecken läßt. Welch' glücklicher Moment. Und absolut einmalig. Ich bin ein Kind der Sonne. Wir alle sind Kinder der Sonne.
Der Mond tritt heraus. Es wird langsam heller. Das Feld und die Sträucher und die Vögel erwachen langsam. Keiner aber traut sich, diesen Moment der Stille anzutasten.
Der Mond ist herausgetreten. Die Wolken haben sich wieder vor Sonne und Mond geschoben und bedecken den Himmel komplett. Das Leben kehrt zurück. Ein Gedanke bleibt!
Ich fahre mit dem Zug zurück zum Frankfurter Flughafen. Ich habe noch acht Stunden Zeit bis zum Abflug. Dank meines Vielfliegerstatus kann ich in der Senator Lounge warten. Die Zeit ist gut. Ich lerne ein Ehepaar kennen, daß für SAP nach Singapur geht. Habe gute Tees, Champagner und Wein. Der Fernseher läuft und das einzige Thema ist die totale Sonnenfinsternis. In Saarbrücken und Stuttgart hatten sie Wetterpech. In München ging es wohl teilweise. Überall viele Leute und Musik und Stative. Haben die überhaupt was gefühlt? Bin ich froh, meine Zeit nicht mit einer Kamera verworfen zu haben. Dafür trage ich jetzt dieses Gefühl in mir! Und meine neuen Bekannten sind sehr nett!