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Übung zum Loslassen

Was wäre das für ein Abenteuer, wenn es vorhersehbar wäre und einen nicht herausfordern würde? Da ist immer die Möglichkeit, alles zu verlieren, und das Spannende ist - genau das will man erleben.

Dezember 2008

Adler in Mustang
Beim Trekking in Mustang

Es war unser vorletzter Trekkingtag. Noch einmal schoben wir uns Meter für Meter einem knapp 4000 hohem Pass entgegen. Wir waren schon eine Stunde am aufsteigen und hatten vielleicht 300 Höhenmeter überwunden. Es soll Menschen geben, die solche auf und ab's geniessen. Für mich ist es eher ein notwendiges Übel. Ich kam mir vor wie eine Ameise. Oben würde es sicher wieder genial sein, es ist immer eine Überraschung, hoch oben über die Weite Mustangs zu blicken, die Richtung zu erahnen für den Weg, der uns noch bevorsteht.

Plötzlich tauchte ein junger Adler auf, er liess sich einfach tragen und schwebte im Wind mühelos nach oben. Es dauerte keine 2 Minuten, und immer weitere Kreise ziehend, immer höher, war er plötzlich weit über uns, weit über dem Berg. Wie genial es doch ist, diese Energie zu finden, die einen trägt! Ich habe das Gefühl, der Adler lebt die Konzepte Usuis. Wenn Du zufrieden sein willst, dann ärgere Dich nicht, dann sorge Dich nicht, und tue was Du tun musst! Der Adler muss loslassen, wenn er sich vom Wind tragen lassen will, da kann er nicht mit den Füssen am Boden festkrallen oder die Flügel am Körper verkrampfen. Und er muss sich auch einlassen auf das was da kommen möge, denn wer weiss schon, wie die Winde da oben wehen werden, was da alles auf einen zukommen mag.

Loslassen ist heute als Problemlöser in aller Munde. Und es ist gar nicht so einfach. Nur mal die Dinge loszulassen, von denen ich weiss, dass ich sie nicht brauche, wie z.B. überzähliges Geld oder Kleidungsstücke, die seit Jahren im Schrank hängen. Von manchen weiss ich nicht einmal, dass ich sie habe. Es bereitet schon grosse Freude, einmal Geld loszulassen, sich etwas dafür zu gönnen oder vielleicht auch in ein Projekt zu stecken. Es fühlt sich erleichternd an, Dinge wegzuwerfen, die sich eh als Ballast angefühlt haben. Das alles ist schon wunderbar, und sicher kennt jeder das Gefühl von Befreiung, welches mit dem Loslassen von Überflüssigem verbunden ist.

Wie ist es aber, wenn es darum geht, etwas anderes loszulassen? Etwas, von dem ich meine, dass ich es brauche? Etwas, von dem ich mich ganz sicher und gerade jetzt abhängig fühle? Wie wäre das, plötzlich blind oder querschnittsgelähmt sein zu müssen, das Sehen aufzugeben oder die Unabhängigkeit? Wie schwer kann es fallen, einen geliebten Menschen loszulassen, von dem ich denke, dass ich ohne ihn nicht atmen kann? Wie weit ist es mit meiner bedingungslosen Liebe zu mir selbst und zu diesem anderen Menschen? Ich liebe mich. Punkt! Ich liebe Dich, ohne wenn und aber! Ich möchte, dass Du Deinen Weg gehen kannst ob mit oder ohne mich - egal.

Gefühle von Getrenntsein schleichen sich ein und melden ganz sanft Einspruch an. Gefühle, Opfer zu sein, abhängig zu sein, stehen gleich dahinter. Jawohl, bei diesem Loslassen bin ich viel weniger enthusiastisch, da beschleicht mich Sorge, denn es wird an meinen tief verwurzelten Glaubensmustern gerüttelt, dass es so nicht gehen kann.

Das Leben ist eine Pulverfabrik, und jeder hat die Lizenz zu rauchen. Irgendwann übernimmt so jemand Regie und etwas passiert, dass zu einer wichtigen Lektion in punkto Loslassen wird. Es passiert ein Unfall, ein geliebter Mensch stirbt usw.

Nun - mir ist nichts dergleichen passiert auf dieser Reise, und doch haben kleinere Ereignisse diese Gedanken aufkommen lassen. Vielleicht ist das gut so. Ich brauche nicht immer ein grosses Drama, um über etwas nachzudenken. Und ein Strohfeuer ist mir lieber als ein Zeitzünder.

Die Trekkingreise durch das Mustanggebiet war bis ins kleinste vorbereitet. Das war auch wichtig, denn das Königreich Mustang, tibetisch und lose zu Nepal gehörend, liegt auf 4000 m mitten im Transhimalaya. Es gibt weder Strom noch Strassen, Wasser kommt aus dem Fluss, nachts wird es sehr kalt, die dünne Luft nimmt den Atem, Sandstürme können das Fortkommen unmöglich machen. Wir hatten alles dabei von der Reiseapotheke über die Funktionskleidung, gute Schlafsäcke, Sonnenschutz, Hygieneartikel, Ersatzakkus und so weiter. Ich war ehrlich schon etwas misstrauisch, wie alles reibungslos zu klappen schien mit den ganzen Vorbereitungen einschliesslich der Anreise zum Flughafen. Und dann geschah es. Wegen technischer Probleme bei Singapore Airlines wurden wir auf Qatar Airways umgebucht, und bei Ankunft in Kathmandu war von keinem der Reiseteilnehmer das Gepäck da. Schlimmer noch - über die 3 Tage bis zum Start vom Trekking wusste die Qatar Fluggesellschaft nicht einmal, wo unser Gepäck überhaupt war. Das war unser Supergau. Wir standen da mit nichts ausser dem Handgepäck. Qatar gab weder eine Entschädigung noch Kostengutsprache für Ersatzkäufe, für Dinge, die wir brauchten.

Wir haben uns kurz beraten und dann entschieden - wir probieren es, wir riskieren es, wir improvisieren! Uns blieben 2x 4 Stunden Zeit, bevor das Trekking definitiv starten musste. Ich habe fleissig Reiki an die Trekkingreise geschickt (eine Reiki 2 Technik), natürlich. Und was dann geschah, war schon fast ein kleines Wunder.

Der Veranstalter konnte uns Daunenjacken und Schlafsäcke ausleihen, zwar nur in Grösse M aber ich konnte mich reinzwängen. Obwohl der höchste Feiertag in Nepal war, fanden wir genau das nötigste an Bekleidung und Toilettenartikeln. Eine Frau brauchte spezielle Blutzuckertabletten. Wir fanden die einzige Apotheke, die offen hatte und nach einigem Drängen auch das nepalesische Medikament, das genau die gleiche Zusammensetzung hatte. Es waren noch 2½ Packungen da, genau, was die Frau bis zum Ende des Trekkings brauchte. Am Vorabend begegneten wir dann einer schweizer Reisegruppe, die ihre Tour beendet hatte. Die Leute waren so freundlich und haben uns etwas gebrauchte Funktionskleidung geliehen.

So zogen wir los, wir hatten 4x Glück, genau im richtigen Moment auf die einzig passende Lösung zu stossen. Es war nicht sonderlich bequem, das stimmt schon, aber es hat funktioniert. Alle 3-4 Tage haben wir die wenigen Sachen provisorisch gewaschen und dann irgendwie aufgehangen. Es ist zum Glück auch niemand ernsthaft krank geworden.

Ich habe natürlich weiter Reiki geschickt, sowieso täglich - oder nächtlich die Selbstbehandlung gemacht. Zeit gab es dafür genug, lagen wir doch von 8 Uhr abends bis 7 Uhr morgens im Zelt. Mit der Zeit waren wir alle etwas erkältet. Hier war die Selbstbehandlung immer spannend, denn die Symptome sind bei mir danach regelmässig verschwunden und tauchten dann abgeschwächt an anderer Stelle auf, wurden stärker, und es gab wieder eine Selbstbehandlung.

Bei Erkältungserscheinungen hatte ich in der Vergangenheit immer etwas viel Sorge. Ich nahm dann spezielle Schleimlöser, ein Medikament, dass ich nur in Deutschland fand und welches jetzt natürlich im verlorenen Gepäck lag. Wie lange konnte das jetzt gut gehen - ohne Arzt oder Medikamente? Gott sei Dank hatte ich Reiki. In einer Herberge trafen wir andere Touristen, alle waren am husten. Eine Frau hatte scheinbar besonders zu leiden, insgeheim dachte ich mir - wenn sie doch wenigstens Reiki hätte! Trotz ihrer Situation strahlte die Frau einen unbegreiflichen Optimismus aus. Ich wünschte ihr gute Genesung und wir zogen weiter.

Wie befürchtet setzte sich bei mir dann doch die Erkältung fest, es war in der Nähe der Lungen. Wir waren mittlerweile in Lo Manthang, der Hauptstadt des kleinen Königreiches. Unser Reiseführer hatte plötzlich eine Idee, das Reiseprogram zu erweitern und eine Schule für tibetische Medizin zu besuchen. Die Schule war schon für den Winter geschlossen, aber zufällig kam Dr. Amchi Tenjing Bista vorbei. Er schaute mir in die Augen, prüfte meinen Puls, und gab mir dann 12 kleine schwarze Kügelchen. Meine Erkältung ging schon mit der Einnahme der ersten Dosis spürbar zurück.

All die glücklichen Zufälle haben mich seither immer wieder fragen lassen, wieviel Reiki dabei im Spiel war.

Wir haben manchen Abend in unseren geliehenen blauen Daunenjacken um den Tisch gesessen und über unser Glück im Unglück philosophiert. Einmal erinnerte sich eine Teilnehmerin an ein Ereignis während ihrer Reisevorbereitungen. Voller Stolz hatte sie Ihrer Freundin die neu erstandene schwarze Funktionsjacke gezeigt, die sie für das Trekking gekauft hatte. Daraufhin erwiderte die Freundin »Seltsam, ich habe Euch drei im Traum alle in blauen Jacken beim Trekking gesehen«.

Als ich ein paar Tage später wieder wohlauf war, ohne mein so wichtiges deutsches Medikament, trafen wir erneut auf die andere Reisekollegin (sie war übrigens aus Kanada), der es so schlecht gegangen war. Auch bei ihr hatte sich wieder alles normalisiert. An einem zauberhaften Abend mit Bambusflötenmusik, die ihr Sherpa spielte, kamen wir dann ins Reden, und ich machte zaghafte Andeutungen, dass ihr Reiki vielleicht auch gut getan hätte. Darauf erwiderte sie, dass sie selbst den 2. Grad habe und sich natürlich regelmässig selbst behandelte, während der Erkältung sogar besonders lange. Darauf musste ich dann lachen und in der Tat konnten sich auch die übrigen Gäste nicht dem Lachen enthalten als wir feststellten, dass nur und gerade die Reikianer sich auf dieser Reise so mit Erkältungen geplagt hatten. Die Frau hatte Reiki übrigens von Fran Brown gelernt, eine bekannte Schülerin von Frau Takata. Fran hat mit »Living Reiki« ein tolles Buch über Frau Takata geschrieben.

Ja - Reiki war sehr präsent auf dieser Reise, wenn auch anders als erwartet. Denn ursprünglich wollte ich auf Reikispuren nach Mustang gehen, nachdem ein Freund mir berichtete, er hätte an den alten buddhistischen Klöstern massenweise Reikisymbole aufgezeichnet gefunden. Da hin und wieder vermutet wird, Reiki habe seine Wurzeln im tibetischen und tantrischen Buddhismus, nahm ich mir diese Foto Studienreise vor, ein schöner Ausblick neben dem Durchwandern einer zauberhaften, wirklich magischen Landschaft, neben stillen und tiefen Begegnungen mit so liebevollen Menschen.

Ich fand übrigens kein einziges Reikisymbol, ich fragte auch bei Lamas in den Klöstern nach Reiki oder ähnlichen Techniken, fragte den tibetischen Arzt, sogar den König von Mustang, der uns eine Audienz gewährte. Es war übrigens sein letzter Tag als König. Tags darauf wurde er vom nepalesischen Parlament, welches jetzt maoistisch beeinflusst ist, als König formell abgesetzt. Wenn sich das Omen meines Besuches herumspricht, werden mich andere Könige wohl in Zukunft meiden? 😉

Die Reise hatte immerhin gezeigt, dass es alternative Heilmethoden in Mustang gibt. Diese stammen allerdings aus dem Animismus und Schamanismus, sind also vorbuddhistisch und eben manipulativ.

Aus heutiger Sicht scheint mir der Verweis auf tibetische Wurzeln in Bezug zu Reiki fragwürdig. Mag sein, dass es ähnliche Praktiken gab oder im geheimen noch immer gibt. Mein Japanbesuch vom Frühjahr hat mir aber gezeigt, dass nicht etwa jahrtausende alte Symbole Mikao Usui zu Reiki führten, sondern das Mikao Usui das Reiki fand und selbst die Symbole dazu entwickelte, damit andere es ihm gleichtun könnten. Die Reikisymbole haben ihre Wurzeln in Japan.

Nach 16 Tagen und Nächten im Zelt ging unser Trekking Abenteuer gut zu Ende. Wir waren froh, das Risiko eingegangen zu sein. Wir fanden so Gelegenheit zu erfahren, dass es immer eine Lösung gibt und das tatsächlich eine Energie da ist, die uns trägt, die im richtigen Moment unerwartete Wendungen beschert. Das hätten wir nie erfahren können, wenn wir zuvor nicht die Sachen losgelassen hätten, die uns eigentlich tragen sollten.

Ich empfinde tiefe Ehrfurcht vor dieser Situation. Das scheinbar Notwendige loszulassen ist wie eine Vorbedingung um das zu finden, was das wahre Selbst immer trägt. Deswegen reicht es für grosse Rituale nicht, das scheinbar Überflüssige loszulassen.

Am 18. Tag, während wir noch auf dem Trekking waren, fand unser Veranstalter übrigens unser Gepäck auf dem Flughafen von Kathmandu. Er bestand darauf, das ganze Lager für verlorenes Gepäck zu durchsuchen. Er ging hinein und stand vor einem Riesenhaufen verlorener Koffer und Taschen. In einigem Abstand vor diesem Haufen stand eine einzelne Tasche, sauber, verschlossen, mit einem Globotrek Label. Der Mann erinnerte sich, wie ich ihm von meiner Kailashreise mit der Firma Globotrek erzählt hatte, und näherte sich dem Gepäckstück. Es war meine Tasche, und sie war völlig unversehrt. Da wusste er, dass er auch die 2 Rucksäcke der anderen Teilnehmer finden würde. Es dauerte einen halben Tag, aber er schaffte es und fand einen weiteren Rucksack. Dieser war allerdings beschädigt und es fehlten hochwertige Kleidungsstücke im Wert von 600 CHF. Der Mann gab nicht auf und fand nach einem weiteren Tag suchen auch das letzte Gepäckstück. Dieses war besonders schwer zu finden, da sämtliche Anhänger und Flugetiketten nicht mehr vorhanden waren. Spontan dachte ich, was für ein Glück ich mit meiner Tasche hatte, bis ich mich erinnerte, dass ich die Tasche auch mit den Reikisymbolen geschützt hatte (Reiki 2 Technik). Ich hatte zwar keine Reisegepäckversicherung, aber dieser Schutz war sogar besser, und so tauchte als Happy End schliesslich das Gepäck wieder auf. Am Thema »Materieller Verlust« musste ich offenbar nicht schaffen.

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